Es mal ist wieder Ende September, die Luft kalt und irgendwie kristallklar, und die Sonne die am wolkenlosen Himmel steht, wenn der Morgennebel sich verzogen hat wärmt nur am Mittag, wenn man sich in einem windstillen Eckchen aufhält. Auf dem Weg in die Kantine schaue ich neidisch ein paar Rennradfahrern hinterher und ein vertrautes Gefühl stellt sich ein. Eigentlich sind es zwei Gefühle, die sich an solchen klaren sonnigen Septembertagen einstellen, das eine ist die gruselige Erinnerung an den 11. September 2001, und das andere, von dem hier dir Rede sein soll, ist das euphorische Gefühl „jetzt geht es bald nach Kona“.
August und September sind eine besondere Zeit im Leben der Triathleten. Eine möglicherweise lange Saison liegt hinter ihnen, die Wettkampfdichte nimmt ab, und den Neoprenanzug, den man im Juli für 550,- happige Euro erstanden hat kann man nun für 300 bekommen. In den Magazinen werden schon die windschnittigsten Rahmendesigns und jede Menge technische Gadgets für das nächste Jahr präsentiert, und wenn die Temperatur des Nieselregens eine 10 vor dem Komma stehen hat bleibt man öfter als im Sommer auf dem Sofa sitzen, wenn normalerweise eine der regelmäßigen Trainingseinheiten anstehen würde. So, oder so ähnlich sieht er aus, der Herbst (pardon my english) im „Middle of the Pack“.
Ganz anders verhält es sich da, wenn man das Talent, die Zeit, das Glück und nicht zuletzt die nötige Konsequenz aufbringen konnte, um sich einen Startplatz für die Mutter aller Triathlons zu sichern. Den Ironman - Kailua bay - Kona - Hawaii. Um zum Vollmond* Wochenende in Kailua an der Startlinie herumpaddeln zu dürfen, reicht es nicht, zur richtigen Zeit mit einer gültigen Kreditkarten Nummer ausgestattet an einem High-Speed DSL Rechner zu sitzen. Mit einer solchen (auf gar keinen Fall zu unterschätzenden) Leistung) landet man heutzutage mit etwas Glück in der Starterliste von so illustren Veranstaltungen wie den Ironman European Championship in Frankfurt, dem Challenge in Roth oder den beliebten Regionalrennen, aber das sind nur Fingerübungen und kleine Stolpersteine auf dem Weg ins Mekka der Dreikämpfer. Nach Kona kommt (als Starter) nur der, der sowohl das Prozedere von Online-Anmeldungen als auch seinen Körper in virtuoser Weise im Grenzbereich nutzen kann oder via Ebay-Verlosung, Ironman-Lotterie und den supersuperrar gesäten und als persönliche Einladung zu verstehenden Sponsor- und Celebrity-Accounts Einlass gefunden hat. Wie dem auch sein, für diejenigen, die es geschafft haben, gibt es für die erwähnte Periode im Spätsommergrundsätzlich zwei Optionen.
Trainieren was das Zeug hält, denn es wäre doch zu schade, wenn es ausgerechnet in Hawaii nicht läuft, vor allem wenn der gesamte Verein und alle Bekannten und Verwandten daheim sich die Nacht vor dem leider meistens schrecklich langweiligen Live-Ticker um die Ohren schlagen, nur um den Moment nicht zu verpassen, in dem der geschätzte Gladiator auf der Ziellinie am Alii Drive glücklich, sonnenverbrannt, vor lauter Wasseraufnahme aufgequollen und ziemlich abgekämpft in seinen verdienten Blumenkranz (Lei) schlüpft. Alles ganz locker angehen lassen, schon mal „Hang Loose“ und „Aloha Spirit“ einkehren lassen, denn das Jahr war hart genug und eine schöne Ironman-Woche in Kona kann man getrost auch mal mit einem Rennen garnieren, in dem man es etwas lockerer angehen lässt!
Es ist sicher nicht falsch, wenn man annimmt, dass sich der größte Teil der Kona-Qualifikanten eher für eine konsequente Vorbereitung und ein „im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten“ leistungsorientiertes Rennen anstrebt. Selbstverständlich möchte man einen so wichtigen Anlass in der „Triathleten-Karriere“ auch mit einer angemessenen Leistung garnieren. Allerdings möchte ich mir erlauben darauf hinzuweisen, dass auch die zweite Option eine gute Variante ist.
Nach einer Saison, in der man eine Form aufgebaut hat, die eine Kona-Quali ermöglicht hat, sollte man auf jeden Fall fit genug sein, um auch mit wenigen, an den schöneren, wärmeren Herbsttagen durchgeführten Einheiten mit Würde durch die glühenden Lavafelder zu cruisen.
Eine entspannte Vorbereitung erspart einem den Stress bei immer kürzer werdenden Tagen und schlechtem Wetter viele Trainingseinheiten und den normalen Arbeitsalltag in Einklang zu bringen. Stress und Kälte sind am Ende einer langen Saison die beste Möglichkeit sich eine ausgewachsen Erkältung einzufangen. Im Flugzeug noch etwas aufgefrischt und mit der Klimaanlage im „Safeway“-Shopping-Himmel weiter kultiviert, kann einem sowas schon mal den kompletten Big Island Trip vermiesen, und am Ende quält man sich schlimmstenfalls mit Fieber durchs Rennen.
Eine zurückgeschraubte Vorbereitung hat auch, neben der tiefgreifenden Erholung die man sich damit verschaffen kann noch einen weiteren Vorteil: Man kommt nicht auf dumme Gedanken, wie zum Beispiel, na ja, „meine 9:35 Stunden in Frankfurt sind bestimmt noch nicht das Ende der Fahnenstange, ich war irgendwie schon beim Schwimmen müde und ohne diese Unterzuckerung bei Kilometer 110, in Kona da wird mir das nicht passieren, da ist möglicherweise sogar eine 9:15 drin!“
Je nachdem wie der Wind so steht kann man den entsprechenden Fahrplan sogar auf dem Rad noch ganz gut einhalten und gönnt sich die Payback-Time dann mit einem 4:45 Walk in den Sonnenuntergang und viel, ganz viel „Ice, more ice please“. Wenn man es nicht zufällig auf die absolute Toplatzierungen (zB AK Podium) abgesehen hat, macht man mit der „Hang Loose“-Strategie eigentlich nichts falsch und gönnt sich und seinen Mitreisenden zudem noch einen schöneren Urlaub. Denn ohne ehrgeizige Vorgaben oder Taperprogramme kann man auch mal zwei Stunden länger am Magic Sands (aka White Sands Beach) Bodysurfen - zwei Tage vor dem Rennen.
In diesem Sinne, Aloha und hang loose,Holgi
* Leider findet der Ironman nicht mehr jährlich bei Vollmond statt. Hintergrund ist der lästige Fahrplan der Kreufahrtschiffe in der Bay.