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Donnerstag, 18. Oktober 2012

Großes Finale der ITU WCS Triathlon Serie in Auckland mit Anne Haug: "Ich habe mich auf Schmerzen eingestellt"

Die internationale Triathlonsaison der International Triathlon Union (ITU) endet für die Kurzdistanz-Spezialisten mit dem WM-Finale der World Triathlon Championship Series (WCS) in Auckland (Neuseeland). Sechs deutsche Frauen stehen am Start, wobei der Fokus eindeutig auf Anne Haug aus München gerichtet ist. Die 28-Jährige kann die erste WM-Medaille für eine deutsche Triathletin erringen.
Die Münchenerin Anne Haug kann als erste deutsche Triathletin eine WM-Medaille im Feld der Elite-Damen gewinnen. Photo: Petko Beier / Deutsche Triathlon Union

DTU: Anne Haug im Kampf um die erste WM-Medaille für DTU-Damen, „Ich habe mich auf Schmerzen eingestellt“

Wenn am Samstag um 01:16 Uhr deutscher Zeit 48 Damen in Auckland zum letzten Rennen der Triathlon-WM-Saison 2012 starten werden, bietet sich der Münchenerin Anne Haug eine historische Chance. Sie kann als erste deutsche Triathletin eine WM-Medaille gewinnen. Als aktuell Fünfte der Gesamtwertung ist dafür aber ein Top-Resultat vonnöten. Auf ein solches hoffen natürlich auch die weiteren Starterinnen der Deutschen Triathlon Union. Svenja Bazlen (Freiburg), Anja Dittmer (Neubrandenburg), Anja Knapp (Dettingen), Ricarda Lisk (Waiblingen) und Rebecca Robisch (Saarbrücken) setzen auf eine gute Leistung für einen zufrieden stellenden Jahresabschluss.

„Ich habe mich auf Schmerzen eingestellt“, blickt Anne Haug auf ihr bisher wichtigstes Rennen voraus, in das sie als Gesamtfünfte gehen wird. 3140 Punkte weist ihr Konto auf, einen weniger als das der Neuseeländerin Andrea Hewitt. Da Olympiasiegerin Nicola Spirig (SUI), momentan noch Dritte, nicht antreten wird, läuft es auf ein Duell zwischen Haug und Hewitt, die bereits 2009 und 2011 WM-Edelmetall gewinnen konnte, hinaus. „Natürlich ist die Medaille mein Ziel, aber das wird sehr schwer werden, da Andrea gerade vor heimischen Publikum auch auf das Gesamtpodium will und mit Kate McIlroy und Nicky Samuels sehr starke Teamkolleginnen hat, die ihr helfen werden.“ Um den WM-Sieg kämpfen bei normalem Verlauf Erin Densham (AUS) und die Schwedin Lisa Nordén.

Entgegen kommen könnte Haug der schwere Radkurs zum Saisonfinale, auf dem auch das weitere DTU-Quintett seine Stärken ausspielen und Haug bei der Mission WM-Medaille unterstützen möchte. „Bei den Damen werden wir versuchen, als Team Anne zum Erfolg zu verhelfen, und damit natürlich auch der DTU“, sagt Sportdirektor Wolfgang Thiel.

Anja Knapp und Rebecca Robisch bestreiten dabei ihr erstes WM-Finale im Elitebereich. Knapp hat sich in diesem Jahr auf internationalem Level kontinuierlich gesteigert und Robisch hat ihre Stärken auf dem Rad und beim Laufen. Die Saarbrückerin hat für sich zudem eine ziemlich einfache Renntaktik zurechtgelegt. „Für mich heißt es einfach nur: alles geben und dann schauen, welches Resultat am Ende herauskommt. Aber die Strecke ist hart und wird alles abverlangen.“ Auch Svenja Bazlen hat schon mehrmals bewiesen, dass ihr eine Streckenführung wie die in Neuseeland liegt. Ein gutes Einzelresultat zum Finale 2012 wünschen sich Anja Dittmer und Ricarda Lisk.

Einig sind sich auch alle Athletinnen beim eigentlichen Allerweltsthema „Wetter“, zu dem Robisch die Einschätzung auf den Punkt bringt: „Es wäre wünschenswert dass das Wetter mitspielt. Das würde helfen, da es letzte Woche doch öfter zehn Grad, Regen und Sturm hatte, und auch die Wassertemperatur bei 15 Grad liegt.“

Kurzinterview Anne Haug

Frage: Hallo Anne Haug, das WM-Finale steht an. Wie sind die Laune und die Fitness?
Anne Haug: Die Laune ist gut und meine Fitness ist ebenfalls gut. Das Wetter könnte allerdings etwas besser sein.

Frage: Ihre Vorbereitung haben Sie mit Ihrer Trainingsgruppe auf Hawaii absolviert. Wie liefen die Einheiten?
Anne Haug: Im Großen und Ganzen konnte ich gut trainieren, wenngleich die Bedingungen auf Hawaii rund um den Ironman jetzt nicht ideal sind, da es auf Kona den Alii Drive fürs Laufen und den Highway zum Radfahren gibt, und auf beiden Straßen wimmelt es natürlich von den Hawaii-Startern aller Altersklassen.

Frage: Sie können am Samstag eine Medaille erringen…
Anne Haug: Ja, und natürlich ist die Medaille mein Ziel. Aber das wird sehr schwer werden, da Andrea Hewitt gerade vor heimischen Publikum auch auf das Gesamtpodium will und mit Kate McIlroy und Nicky Samuels sehr starke Teamkolleginnen hat, die sie unterstützen werden.

Frage: Wie werden Sie den Wettkampf angehen und worauf stellen Sie sich ein?
Anne Haug: Ich habe mich auf Schmerzen eingestellt und werde top motiviert an der Startlinie stehen. Ich hoffe auch, es gibt keinen Regen, da dies das Rennen unnötig gefährlich und extrem kalt macht. Aber ich nehme es, wie es kommt, und versuche mir auch vom Wetter keinen Strich durch die Rechnung machen zu lassen.

Frage: Der Radkurs ist sehr schwer. Sehen Sie das als einen Vorteil für Sie an?
Anne Haug: Ja, definitiv. Die Strecke ist sehr technisch und hügelig. Das ist aus meiner Sicht immer gut und jede meiner Konkurrentinnen wird hier ebenfalls ein bisschen leiden müssen.

TV-Tipp

Da lässt es sich im deutschen Spätherbst mit warmem Wochenendwetter doch bestens auf die spannende WM-Entscheidung der Damen vorbereiten, die in der Nacht auf Samstag um 01:16 Uhr beginnt. Livebilder gibt es unter www.triathlonlive.tv. Zudem wird die ARD am Sonntag ab 15:45 Uhr in einer Zusammenfassung von den Elite-Wettkämpfen berichten.

Samstag, 4. August 2012

Olympia Triathlon London: Haug, Dittmer, Bazlen "verschenken" Podium durch fehlende Teamtaktik

Nicola Spirig aus der Schweiz und die Schwedin Lisa Nordén haben den von zahlreichen Stürzen geprägten olympischen Triathlon von London mit einem beherzten Sprint zeitgleich beendet. Die Auswertung des Fotofinishs bestätigte kurz nach Zieleinlauf die Schweizerin aus dem Hause des Erfolgstrainers Brett Sutton als Goldmedaillengewinnerin, die sprintstarke Nordén kann sich über Silber freuen.
Nicola Spirig (SUI) im Hintergrund hatte wenige Tausendstel einer Sekunde entscheidende Körperteile vor Lisa Nordén (SWE) im Ziel. Photo: IOC - LOCOG - Omega Timing
Von den hoch gehandelten Top-Favoritinnen erfüllte die Australierin Erin Densham mit Bronze gerade so noch die exorbitant hohen Erwartungen. Lokalmatadorin Helen Jenkins fiel auf den letzten Metern des Rennens aus den Medaillenrängen heraus. Sie hielt dem riesigem Druck nicht Stand und bestätigte einmal mehr, dass Favoritensiege beim Triathlon von Olympia selten vorkommen. Jenkins konnte trotz zweier abgestellter Helferinnen nicht die erhoffte Goldmedaille am Hyde Park holen.
Anne Haug (GER) kam bei ihrem ersten Einsatz bei den Olympischen Spielen im Triathlon dank einer herausragenden Laufleistung auf den 11. Gesamtplatz und wurde beste Deutsche. Photo: DTU - Petko Beier
Bemerkenswert waren an diesem Tag der zahlreichen Stürze auf den vom nächtlichen Regen rutschigen Abschnitten roten Asphalts aber Details der Renntaktiken einzelner Nationen. Während zahlreiche Athletinnen wie Andrea Hewitt oder auch Jenkins dem hohen Lauftempo von knapp unter 34 Minuten auf den letzten 2 Laufkilomtern Tribut zollen mussten, glänzte die US-Amerikanerin Sarah Groff durch einen progressiven Lauf, der sie wieder zurück in die Spitzengruppe und auf Rang 4 brachte.

Ebenfalls bemerkenswert der Laufsplit der Deutschen Anne Haug, der exakt die Splits der beiden Erstplatzierten spiegelt. Was wäre also möglich gewesen, wenn die Triathletinnen der Deutschen Triathlon Union einer Teamtaktik gefolgt wären? Was wäre gewesen, wenn Svenja Bazlen nicht beständig Führungsarbeit in der ersten Gruppe geleistet hätte, keine Energie in einem halben Dutzend sinnloser "Antritte" vergeudete ohne sich selbst in der Position entscheidend verbessern zu können? Eine oder zwei beherzte Attacken wären an dieser Stelle erfolgversprechender gewesen.
Anja Dittmer (GER) bestätigte mit dem 12. Platz bei ihrem vierten Start im Olympischen Triathlon ihre Zugehörigkeit in der Weltspitze bei wichtigen Rennentscheidungen. Eine Muskelverhärtung im Vorfeld und Krämpfe im Rennen selbst verhinderten möglicherweise das beste Ergebnis ihrer langen Karriere. Photo: DTU - Petko Beier
Was wäre also gewesen, wenn sich eine mit einer Muskelverhärtung im Vorfeld und Krämpfen im abschließenden Laufen herumplagende Anja Dittmer in den Dienst von Haug gestellt hätte? Was hätte Anne Haug, seit den Zeiten einer Sonja Krolik schnellste Läuferin der DTU, am Tag X erreichen können? Sie hat an ihrer Schwimmschwäche gearbeitet, kam mit übersichtlichem Abstand aus dem Serpentine Lake und hatte doch keine Chance an diesem 4. August. Auf dem Rad wurde - wenig überraschend - in der Spitze nicht wie bei so vielen Welt Cup Events gebummelt. Haugs eigene Gruppe harmonierte nicht, nur wenige Triathletinnen waren zu einer Mitarbeit bereit oder fähig. Alles kaum überraschende Umstände, Faktoren mit Ansage: Die DTU war einer Medaille bei Olympia im Triathlon der Frauen noch niemals so nah'.

Die Olympischen Spiele von Rio de Janeiro 2016 erscheinen Lichtjahre entfernt, neue Talente kommen und gehen wie Verletzungen. Ein Wechsel von Haug, die sich ausserhalb der Förderstrukturen der Deutschen Triathlon Union für London qualifizieren konnte, auf ein Non-Drafting Format erscheint möglich.
Svenja Bazlen (GER) leistet sehr viel etwas ungestüm wirkende Führungsarbeit in der ersten Radgruppe ohne sich dabei absetzen zu können. Zeitgleich verhinderte sie den Anschluss der zweiten Gruppe mit Anne Haug. Photo: DTU - Petko Beier
Muss man die Athletinnen und die Verantwortlichen der DTU kritisieren? Ein klares "Jein". Es ist gut und richtig, dass die DTU keine reinen Wasserträgerinnen nominiert, sondern klare und transparente Kriterien formuliert und diese einhält. Gratulation dafür. Die Schweiz hatte mit Daniela Ryf extra eine Helferin für Spirig abgestellt, die aber zu keinem Zeitpunkt auf dem Rad für ihre Teamkollegin in Erscheinung treten konnte. Bereits nach dem Schwimmen lag sie hoffungslos abgeschlagen zurück. Für diese Edelhelferin wurde die individuell stärker einzuschätzende Eidgenössin Melanie Anaheim nicht nominiert. Anaheim, die über die Qualifikationsperiode die wichtigen Punkte zur Entsendung der zweiten Schweizer Athletin gesammelt hat. Ein Umstand der Athleten traurig und wütend machen kann, vielleicht auch destruktiv werden lässt.

Noch desaströser die Bilanz der Gastgeber aus Großbritannien: keine Medaille für Jenkins und zwei Helferinnen, die selbst Platz 26 und 33 erreichten, aber individuell stärkeren Athletinnen vorgezogen wurden. Triathletinnen, die auch hier die Kohlen der maximal verfügbaren drei Startplätze aus der mühseligen Qualifikationsphase für den Gastgeber aus dem Feuer geholt haben und dafür vom Verband abgestraft wurden.

Selbst Australien, wegen ihrer Nicht-Nominierung der Goldmedaillengewinnerin von Beijing Emma Snowsill heftig kritisiert, ist durch Denshams Bronze-Medaille mit einem dicken blauen Auge gerade so davongekommen. Dem eigenen Anspruch wird der 3. Platz nicht gerecht werden.

Es ist aber nicht richtig gewesen, dass die DTU den nominierten Triathletinnen keine Teamtaktik ans Herz gelegt hat oder diese nicht umgesetzt wurde. Ja, Triathlon ist eine Individualsportart. Im Sinne der Chancengleichheit muss sich aber auch der Triathlon in Deutschland der Wirklichkeit stellen. Diese hat erstmalig den Einsatz von Edelhelfern im Olympischen Triathlon gesehen - mit Ankündigung. Das Herrenrennen von London wird noch deutlichere Bemühungen, etwa der Briten um Jonathan und Alistair Brownlee sehen, die bereits im Vorfeld, in den langen Trainingswochen vor London, eine funktionierende Schwimm-Radruppe sondieren. Rio 2016 wird wegen der vielleicht schon dann kürzeren Distanzen und Modi völlig neue Perspektiven für solche Teams eröffnen.

Hat Deutschland wegen eines taktischen Fehlers im Team eine Medaille verloren oder ist die individuelle Verwirklichung der sportlichen Einzelinteressen im Triathlon höher zu bewerten? Eine durchaus knifflige Frage, die verschiedene Interessensgruppen gegenseitig abwägend sehr unterschiedlich beantwortet werden kann...

Eine Antwort kann für alle Triathletinnen, die von Verbänden nicht nominiert wurden, ein schöner olympischer Moment geben. Paula Findlay, kanadischer Senkrechtstarter der Saison 2010, lag nach desaströsem Schwimmen und Radfahren kurz nach Beginn des Laufens weinend an der Seitenbande in den Armen eines Betreuers. Lange an einer Hüftverletzung laborierend kam das große kandadische Lauftalent nicht mehr rechtzeitig für London in Schwung. Das vorzeitige DNF war wenige Herzschläge entfernt. Es ist nicht im Detail bekannt, was der kanadische Betreuer ihr gesagt hat. Findlay trug schließlich den olympischen Gedanken weiter über die Laufstrecke, auf der sie kurze Zeit später von den besten Triathletinnen des Tages überrundet werden sollte, um als 52. und letzte aller 55 Starterinnen unter tosendem Applaus ins Ziel zu kommen. Findlay hat man die Chance auf eine Teilnahme aus Gründen der Teamtaktik nicht genommen. Das Erlebnis und wertvolle Erfahrungen kann ihr kein Mensch streitig machen.

Danke Kanada für den Mut und exakt diesen olympischen Moment, der dem Zielsprint von Spirig, Nordén und Densham nicht nachsteht. Glückwunsch an alle Finisher und Teilnehmerinnen und natürlich an Anne Haug, Anja Dittmer und Svenja Bazlen für die Plätze 11, 12 und 32 für die DTU.

Freitag, 27. April 2012

Olympia-Selektion der Australier und Briten wird zum Nervenkrimi

Stellen wir uns vor, es ist Olympia und die großen Namen aus Großbrittannien, Australien und Deutschland gehen nicht hin? Unmöglich? Keinesfalls. Die australische Olympiasiegerin Emma Snowsill gilt keinesfalls als von ihren Nominierungsgremium für den London Triathlon gesetzt. Der Brite William Clarke kämpft indessen mit den hohen Leistungserwartungen und der internen Konkurrenz. Die Dynamik und Dramatik der olympischen Selektion der nationalen Verbände nimmt weiter zu. In den letzten 7 Tagen  überschlugen sich die Ereignisse bei den involvierten Parteien. Athleten, Trainer, Selektoren und die Funktionäre stehen bei den erfolgsverwöhnten Verbänden massiv unter Druck - Sportpolitik und Spitzensport rasseln aneinander.
Jan Frodeno muss seinen Startplatz für London noch durch eine Top 10 Platzierung in der ITU World Series bestätigen. Wahrscheinlich wird er Ende Mai in Madrid sein Glück versuchen. Photo: Petko Beier
William Clarke, bisher drittbester Brite nach Alistair und Jonathan Brownlee wurde am Montag mit einem Anruf der unangenehmen Art konfrontiert. Wenn er beim Triathlon der ITU World Series im kalifornischen San Diego am 12. Mai nicht auf das Podium kommt, darf er noch nicht einmal als Wasserträger beim Heimspiel am Hyde Park auflaufen. Vergleichbares gilt für den ehemaligen Weltmeister Tim Don, dessen Zug wegen aktuellen Defiziten im Schwimmen und auf dem Rad quasi schon abgefahren ist. Andere Teammitglieder, wie etwa Stuart Hayes, die als geborene Schwimm-Läufer wichtige taktische Hilfsarbeit für die Brownlees leisten könnten, erhalten bei einer schlechteren Platzierung Clarkes in San Diego den Vorzug. Das Damokles-Schwert wackelt nicht mehr nur bedrohlich über Clarkes Blondschopf - obwohl er in den letzten zwei Jahren vier solide Ergebnisse in den Top 10 (2. Hamburg 2011, 4. Kitzbühel 2011, 8. Sydney 2012, 9. Sydney 2011) der World Series unterbringen konnte.

Noch dramatischer sieht es Downunder im Land der bisher stärksten Triathlonnation aus. Nicht nur, dass der Australier Chris McCormack seinem Traum von London 2012 mehr oder minder konsequent hinterhereilt und sich gegen Brendan Sexton und den angeschlagenen Courtney Atkinson durchsetzen muss. Das eigentliche Drama spielt sich bei den Frauen ab, von denen mindestens 4 Triathletinnen realistische Medaillenschancen haben. Für Emma Snowsill und ihre Kolleginnen kommt es derzeit ziemlich Dicke. Möglicherweise wird sie ihre Goldmedaille im Olympischen Triathlon nicht verteidigen können. 2011 stand für die zierliche Ausnahmeläuferin ganz im Zeichen von Verletzungen und Krankheiten, die ein nachhaltiges Comeback erschwerten und die dringend erforderlichen Punkte für das WM-Ranking nicht im gewohnten Umfang nach Australien schickten. Ihre Leistungskurve zeigt aktuell in die richtige Richtung, durch die interne Konkurrenz von Emma Jackson, Ashleigh Gentle und inbesondere Erin Densham, die in die Saison mit zwei Siegen in Mooloolaba und Sydney bestmöglich gestartet ist, nimmt der Druck auf Snowsill massiv zu.

So sehr, dass Michelle Gallen von ihrem Posten als Mitglied des Vorstands und des Selektionskommitees von Triathlon Australia zurückgetreten ist. Grund sind augenscheinlich Differenzen durch einen Interpretationsspielraum des komplexen Nominierungssystems der Australier. Es erging die Aufforderung des Vorstands von Triathlon Australia an das Selektionsgremium, die nach dem Triathlon von Sydney vorgeschlagene Nominierungen auszusetzen und die weiter zurückliegenden Rennen von San Diego und Madrid abzuwarten. Ein späterer Qualifikationsstichtag spielt eindeutig Snowsill in die Hände, die noch nicht ganz vorne mitmischen kann. Die Chancen Chris McCormack als Edelhelfer für Brad Kahlefeldt zu sehen, korrelieren in ähnlicher Weise mit dem späten Termin im Mai. Ob dann knappe 8 Wochen Vorbereitung bei den später nomrinierten Triathletinnen und Triathleten für eine Medaille bei den Spielen ausreichen werden steht auf einem ganz anderen Blatt. 
Steffen Justus hat sein Startrecht für London durch den Sieg in Sydney eindrucksvoll bestätigt. Photo: Petko Beier, DTU
Das Schicksal meint es bis dato auch mit Olympiasieger Jan Frodeno aus Deutschland nicht sehr gut. Eine hartnäckige Wadenverletzung gefährdet mittlerweile nicht nur die Chance auf eine ansprechende Titelverteidigung sondern versieht auch einen Start mit einem mittelgroßen Fragenzeichen. "Frodo" muss sein Startrecht noch durch eine Platzierung in den Top 10 der World Series, etwa am 27. Mai in Madrid bestätigen. Der Überraschungssieger von Beijing könnte, wenn es ganz dumm läuft, um das Erlebnis Titelverteidigung kommen. Ersatzmann ist nach aktuellem Sach- und Leistungsstand Maik Petzold, der vor Beijing 2008 denkbar knapp an der Norm scheiterte. Ihm sitzt ebenfalls die Konkurrenz im Nacken. Lediglich Anja Dittmer und Steffen Justus haben durch ihre Leistungen in Sydney das Ticket in trockenen Tüchern und befinden sich in der heißen Phase der Vorbereitung.
Anja Dittmer hat ihr Ticket für London sicher in der Tasche. Photo: Petko Beier, DTU
Ganz andere Probleme haben die US-Amerikaner. Durch den 2011er Tsunami von Japan haben viele aus dem US-Kader das an das Ende der Saison verschobene Rennen im japanischen Yokohamo ausgelassen und wertvolle Punkte der Weltrangliste verpasst. Die Nordamerikaner zittern nun um ihr Startrecht beim Heimrennen im San Diego, weil sie nicht ausreichend Punkte haben, um bei ihrem eigenen (!) Qualifikations-Event für London auf dem Startponton stehen zu dürfen. Letzte Rettung, sofern man nicht die Nominierungskriterien aufweichen will? Die maximal 5 der ITU zur Verfügung stehenden Startplätze für besondere Zwecke, die normalerweise an Nachwuchsathleten aus dem internationalen Förderungsprogramm vergeben werden. Ironman Weltmeister Chris McCormack nahm 2011 in Kitzbühel einen solchen Platz in Anspruch.

Im Olympischen Jahr werden die Karten tatsächlich neu gemischt. Die Athleten erhöhen zum Teil Umfang und Qualiät des Trainings, Politik und Teamtaktik erhalten eine stärkere Gewichtun. Der Kanadier Simon Whitfield, Olympiasieger von Sydney 2000 spricht als zweifacher Medaillengewinner von Risiken, die einzugehen sind, um die Lücken zu den Brownlee-Brüdern zu schließen. Vergleichbares lässt der zweite Doppelmedaillengewinner Bevan Docherty aus Neuseeland verlauten. Weitere dramatische Wendungen sind im Zielspurt der Selektion in San Diego und Madrid zu erwarten. Lediglich Javier Gomez ist neben dem jüngeren Brownlee der einzige Top-Favorit, der sich ohne körperliche Probleme auf das Projekt Edelmetall konzentrieren kann und gewohnt souverän seine Leistung wie bei der EM in Eilat abliefert. Es bleibt spannend...