Pünktlich, eine Woche vor dem Rennen gabs die Übersicht zu den TV-Übertragungen am IM-Weekend. Enttäuschend, dass es in diesem Jahr offenbar keine Live-Schalte nach Kona gibt, aber so ist es nun mal und so muss man sich in der Nacht mit dem Ticker und somit mit zu später Stunde viel zu spärlich eintrudelnden Neuigkeiten von der Laufstrecke zufrieden geben, auf der hoffentlich bei 40Grad ein episches Duell zwischen Macca und dem Norminator ausgefochten wird, dass den „Ironwar“ für alle Zeiten in den Schatten stellen wird, und sich in der Zwischenzeit zum Wachbleiben die vielen fachkundigen Kommentare der anderen Insomniacs im Forum reinziehen.
Am Sonntagnachmittag, auf ORF etwas früher als in den ersten beiden Reihen des deutschen Fernsehens, wartet dann, wenn man es bis dahin aus dem Bett geschafft hat, das verdiente visuelle Leckerchen - die Zusammenfassung. Der Bericht am Sonntag dient zumindest für die Online-Junkies nur noch der entspannten Fernwehpflege nach dem Motto, „Was meinst du Schatz, soll ichs nächstes Jahr nochmal probieren?“, denn die Platzierungen und Split-Zeiten der ersten 30 Athleten hat man ja in der Nacht bereits ausgewertet und selbstverständlich auswendig gelernt, um beim Schwimmtraining am Montagabend mit gewohnt legendärer Detailkenntnis zu glänzen.
Wie gesagt, wenn es keine Live-Bilder gibt, bei denen man, wie vor kurzem bei Frodos unvergleichlichem Hammerrennen in Peking, auf dem Sofa vor Aufregung mehrere Flaschen eiskaltes blaues Gatorade verschüttete, dann muss man sich bei der Zusammenfassung wohl oder übel auf andere Dinge konzentrieren. Einen erfreulichen Kontrast zur öden, schwarzen Lavawüste bilden seit Anbeginn der Triathlonzeitrechnung die wunderbar exotischen, und vielfältigen Outfits der tapferen Gladiatoren, und waren und sind wichtige Eyecatcher in jedem professionell produzierten TV-Beitrag zu einem Ironman.
Es ist nämlich keineswegs so, wie der unbedarfte „Zivilist“ normalerweise denkt, wenn er das erste Mal von einer Sportart hört, bei der bereits der ambitionierte Freizeitsportler eine wöchentliche Trainingszeit im zweistelligen Bereich vorweisen kann, nämlich, dass diese eisenharten Athleten froh sein können, wenn sich zwischen das ganze Training noch ein bisschen Broterwerb, Nahrungsaufnahme und eventuell, hin und wieder, ein wenig Schlaf quetschen lässt. Weit gefehlt, denn auch wenn es bei ersten Hinsehen vielleicht nicht so aussieht, die meisten Triathleten verwenden einen signifikanten Teil ihrer kostbaren (Frei)zeit für ihr „Styling“.
Exzentrische Rennbekleidung ist eine historische Errungenschaft unserer Sportart, und geht vermutlich auf einige der frühen Protagonisten zurück. Ultraknappe Speedos und Tops waren Jungs wie Scott Tinley oder Kenny Souza einfach nicht cool genug, es mussten auch noch grauenhafte Graffiti-Prints auf die knappen Fummel, und auf gar keinen Fall durfte das ganze farblich mit den zumeist neonpinken, thermonuclearprotection Oakley Blades und en Schuhen harmonieren.
Neonpink kann aber auch ganz gut aussehen...dabei denke ich mit einem Hauch von Wehmut die jungen, knackigen Zeiten einer großen Stilikone der Triathletenzunft. Fernanda Keller war es, die in den späten 80ern eindrucksvoll vorführte wie gut ein sehr, sehr wirklich sehr knapper pinker Bikini auf einem sonnenverwöhnten brasilianischen Hintern aussieht. Wie dem auch sei, in den 80ern war es immer ein kleines Spießrutenlaufen, wenn man mit seinem sorgfältig zusammengekauften „Scott Tinley Lookalike“-Outfit auf einer ostwestfälischen Volkslaufveranstaltung auftauchte.
Denn selbst wenn am Sonntagvormittag die Sonne schon mit Vollgas vom Himmel dröhnte, und man es selbst im Schatten kaum aushalten konnte. Man wurde schief angeschaut, wenn man sich in Badehose und mit gelben Sock Racern an den Füssen neben die etablierte „Provinzlaufprominenz“ in die erste Reihe stellen wollte. Dass man in einem solchen Dress in der Triathlon Szene im Mainstream unterwegs war konnten die unwissenden Läuferwichte, die Chucky V vermutlich für den Bassisten von Black Flag halten würden, wenn sie ihm in San Diego auf der Straße begegnen damals nicht wissen. Vermutlich hatte ihnen metholbasiertes Massageöl das Hirn vernebelt.
Mittlerweile haben die Läufer sich angepasst und modernisiert, sie haben (von finnischen Triathleten „salonfähig“ gemachte) Gürtel mit kleinen Trinkflaschen, die es mittlerweile im Runnerspoint gibt, sie essen Powerbars und Gels (aus der Sportabteilung im Kaufhof) - und, es ist traurig aber wahr: Sie tragen Nasenpflaster und Kompressionsstrümpfe. Was die (meisten) Läufer allerdings noch immer nicht verstanden haben, es geht hier nicht immer nur um Funktion, es geht um Style und Lebensgefühl, und deshalb werden sie den Triathleten was Coolness angeht für alle Zeiten hinterher laufen.
(Bild: tri-express.de)
Noch besser als durch farblich angepasste und möglichst radikal-funktionelle Rennbekleidung, kommuniziert man triathletische Vibes immer noch mit dem Pre-Race-Outfit. Während man im Bereich der Rennbekleidung, zumindest, wenn man ambitioniert unterwegs ist, aus funktionellen, speziell auch aerodynamischen Gründen auf die begrenzte Produktpalette einiger Triathlon-Bekleidungshersteller angewiesen ist, kann man beim Pre-Race-Outfit seiner Phantasie und Persönlichkeit freien Lauf lassen.
Beim Pre-Race-Outfit ist besonders in den letzten Jahren ein Trend zur Hang-Loose Mode garniert mit subtilen Zitaten aus der Welt des modernen Hightech Athleten angesagt. Besonders gut lassen sich die entsprechend Trends auf den „Laufstegen“ der Triathlonszene, den Messen am Rande der großen Ironman Veranstaltungen studieren.
Die Athleten befinden sich in einer Taperphase in der das morgendliche Schwimmtraining ausfällt und so gibt es genug Zeit um vor dem Spiegel ein wenig zu optimieren, bevor man sich auf den Weg macht um auf der Messe noch schnell ein paar Ersatzventiladapter und Erdbeer-Powergels zu besorgen. Wenn es das Wetter zulässt, wählen viele Athleten für diesen Zweck entweder (als Hightech Zitat) einen Nike Free Schuh und kombinieren diesen mit einer möglichst lässigen "“Toes to the Nose“ Surfshorts. Für die die lieber gleich in Konastyle konformen FlipFlops herumschlappen, bietet es sich, vor allem bei etwas kühlerer Witterung, das HighTech Zitat etwas nach oben zu verlegen und unter den Boardshorts einfach ein paar Beinlinge zu tragen.
Um nicht als übermäßig nervöser Rookie, sondern als abgebrühter Veteran rüberzukommen empfiehlt es sich, die zur notwendigen Hydratation unverzichtbaren Elektrolytgetränke im Rucksack (nein, nicht der den man bei der Startnummernausgabe bekommen hat, sondern den von Embrun 1987) verstecken und stattdessen ständig eine halbvolle Grand Latte von Starbucks („du weisst ja, ich brauch morgens erstmal, 17 Tassen Kaffe sonst komm ich nicht in Schwung“) mit sich herumzutragen.
Oben rum trägt man am besten ein Funktions-Longsleeve mit ein paar achtlos aufgetackerten Powerbaraufnähern und hochgekrempelten Ärmeln unter einem halboffenen kurzärmligen Hawaiihemd, dass - es sei denn man ist Hannes B, - eher dezent gemustert daherkommen sollte. Auf der Brust darf auch gerne ein CNC-gefrästes Leitröllchen oder alternativ ein stilisierter Fischhaken aus südpazifischen Pottwalknochen getragen werden. Als Kopfbedeckung kommen, besonders bei großer Hitze besonders lässig wirkende, Wollstrickmützen von Independent Skatepunk Lables, oder von zahlreichen Wettkampfreisen in jeden Winkel der Welt abgewetzte Schlapphüte in Frage, oder wenn der Rest des Outfits noch keine „watch out ich bin Tiathlet“ Hinweise für Insider enthält auch gerne eine seltene Rip and Hammer oder eine Oakley Kappe von 1986. Bei der Sonnenbrille gibt es keine Regeln, aber auch hier sollte man sich von etablierten Lables abwenden, wenn man nicht allzu Mainstreamig rüberkommen möchte.
Ich finde das Pre-Race-Outfit ist eine gute Erfindung, denn anders als die ganzen Triathlon Messestände die irgendwann zwangsläufig langweilig werden, gibt es immer wieder spannende, innovative Styles zu sehen, außerdem gibt‘s auf der Messe keine Kameras und wir können dieses Spielchen sozusagen „unter uns“ spielen.
Ein bisschen lästig sind die hoffnungslosen Exzentriker die vor dem Rennen kaum auffallen und dann am TagX vor laufender Kamera modisch ganz, ganz vorne sein möchten. Manche von denen tragen Handschuhe beim Laufen, die anderen lächerliche Netzstrümpfe. Letztes Jahr, da hatte sich der Typ der als erstes über die Ziellinie gehüpft ist sogar einen Haufen Schwämme ins Oberteil gestopft – vom Drittplatzierten jährlich mehr verhüllten Dänen ganz zu schweigen.
Wir dürfen also gespannt sein, was die Zusammenfassung am Sonntag dieses Jahr bietet, denn am Montag bei der Arbeit kommen dann die Kollegen mit den Fragen „hör mal du machst doch auch so was hin und wieder, du läuft aber nicht in Strümpfen und mit Handschuhen und hast Sponge Bobs im Oberteil?....“