Samstag, 16. Juli 2011

I'm here to win, Chris McCormacks Traum von London 2012

In der Retrospektive, irgendwo zwischen Drittel und Lebenshalbzeit hat der Australier Chris McCormack, Doppelweltmeister im Ironman Hawaii Triathlon sein Triathlonbuch I'm Here To Win: A World Champion's Advice for Peak Performance mit zuweilen sehr unterhaltsamen autobiografischen Passagen veröffentlicht.

I'm Here To Win: A World Champion's Advice for Peak Performance ist in der englischen Originalfassung ein kurzweiliger Lesestoff. (Photo: Amazon)
"Macca", der als ehemaliger Banker definitiv zu den smarteren Geschäftsleuten unter den Profis im Ironman zu zählen ist, versucht dabei ein wenig in die großen Fußspuren eines anderen ehemaligen erfolgreichen Triathleten zu treten. Lance Armstrong, Tour de France Imperator, Stiftungsgründer, Autor und us-amerikanische Markenikone ist eines der immament im Subkontext des ehemaligen Weltmeisters im Kurztriathlon mitschwingenden Vorbilder. Ist "I'm here to win" eine Leseempfehlung? Ja, aber man sollte der englischen Sprache und der Person Macca gerecht werden und auf die englische Originalausgabe zurückgreifen. So unterhaltsam, präzise und griffig kommt McCormack trotz einiger Redundanzen nur in der Muttersprache rüber, wenn er über "Delivery" und die Schwächen des bayerischen Intimfeindes parliert.

Der im Buch geübte lange Blick zurück und die Selbstanalyse mag sicherlich manchen tatsächlichen Sachverhalt dem Umstand subjektiver Verklärtheit untergeordnet haben. Nicht alle Schritte im Leben des Chris McCormack verfolgten einen Masterplan und waren wohl doch mehr Reaktion denn Aktion. Die Ausreifung jener scharf analysierenden und sehr eloquenten Persönlickeit, die ihn besonders in den letzten 10 Jahren seiner verdienten Laufbahn als Profisportler auszeichnet, lässt sich aber trefflich nachzeichnen. Macca ist aber nicht nur der berechnende Taktiker, der die vermeintlichen Schwächen - vor allem der deutschen Triathleten Faris Al-Sultan und Normann Stadler - gnadenlos im Vorfeld des sportlichen Aufeinandertreffens auszunutzen weiss. Er spielt das Stück der Beinflussung aus der Ferne präzise und virtuos auf der Klaviatur von Interviews oder Einsatz der sozialen Medien Blog, Facebook und Twitter. Am 4. April 1973 geboren und im Trimester zwischen den Metropolen Los Angelos, Sydney und der europäischen Rennsaison pendelnd, ist er vor allem auch ein Bauchmensch, dessen Kopf und Intuition oft das entscheidende zielversprechende Quäntchen Effet zusteuern.

Eine Mischung dieser Persönlichkeitfacetten mag McCormack, der den Thron des Ironman Hawaii nach vielen brutalstmöglich gescheiterten Anläufen erstmalig 2007 besteigen konnte zu dem Wunsch getrieben haben sein Heimatland bei den olympischen Spielen in London 2012 zu vertreten. Seine avisierte Rolle? Kein Superstar, Edelhelfer für die flinken Läufer auf dem Rad möchte er sein. McCormack kennt seine Laufdefizite und das System der steten Evolution und des Sportdarwiniwmus. Die Zeiten als er mit 31er und 32er Laufsplits auf den abschließenden 10 Kilometern über Monate hinweg die Kurzstrecke dominierte sind seit Jahren vorbei. London wird wahrscheinlich mit einer mittleren oder tiefen 28er Zeit über jene 10 Kilometer gewonnen, sofern es keine taktische Entscheidung auf dem Rad vorab geben wird - eine unerreichbare Zeit für eine langsam alternde Dieselengine.

Olympia ist auch in der Eigenvermarktung sowie zur Promotion seiner Stiftung "Maccanow" eine Chance. Ein Karrieremeilenstein, der ihm aus verbandspolitischen Gründen die Premiere der Sportart 2000 in seiner Heimatstadt Sydney nicht als Aktiven erleben ließ. 2004 bei den Spielen von Athen, auf einem Streckenprofil, vielleicht wie auf den Leib geschneidert, verhinderten Stolz und Trotz einen Start. Sein Eiertanz auf diversen Strecken im aktuellen Jahr könnte ihn die sportliche Saison 2011 und 2012 kosten. Eine Titelverteidigung beim Ironman Hawaii hat der ausgebuffte Selbstdarsteller bereits frühzeitig abgesagt, wenngleich viele Insider bei einem sich abzeichnenden Scheitern des Projekts London 2012 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am Morgen des 8. Oktobers in Pazifik von Kailua-Kona McCormack beim entspannten Wassertreten erwarten. 

Der Weg durch die Untiefen des Qualifikationssystems der Internation Triathlon Union und des eigenen nationalen Verbandes Triathlon Australia lässt die Aufgabe London 2012 zu einem stetig wachsenden Wellenberg anwachsen, der sein sportliches Jahr 2011 und 2012 zu zerschlagen droht. Mit viel wohlwollendem Support hangelt sich McCormack durch erste Wildcards von Veranstaltern und Verband gestützt durch die Qualifikationsrennen der World Champions Series und unterklassiger ITU-Events, um auf die entscheidenden Punkte im Ranking und zu einem Stammplatz in der WCS zu kommen. Sein erster Ausflug beim Triathlon Kitzbühel mit denkbar ungünstiger Vorbereitung durch Verletzung, interkontinentalen Reisen zwecks Buchpromotion, Tingeltangel-Rennen und einem Sieg bei der Challenge Cairns knapp 14 Tage vor dem Startschuss im Schwarzsee kommt einem mittleren Desaster gleich.
Bei kühlen und im weiteren Verlauf durch Starkregen echtem Macca-Wetter erhält der Aussi bereits im Schwimmen über 1,5 Kilometer eine Lehrstunde und rund einminütgen Rückstand, von dem sich seine müden Beine auf der Radstrecke nicht mehr erholen sollten: DNF, neue Erfahrungen und enormer Respekt vor den "Kids, die so unglaublich schnell sind" nimmt er aus Österreich mit ins Handgepäck. McCormack lernte die neue Generation, die Inkarnation von Geschwindigkeit in Form eines der britischen Brownlee Brüder kennen, die derzeit nach Belieben die Serie dominieren. Ein Hauch von Ehrfurcht, den nur Maccas Nemesis "Sir" Simon Lessing hervorbringen konnte, weht aus den Verlautbarungen herüber.

Macca muss sich also sehr warm anziehen, soll der olympische Traum nicht eben nur ein Traum bleiben und bereits in Hamburg verpuffen. Wenn es in wenigen Stunden in die Alster per Kopfsprung geht, ist auf dem flachen aber technisch anspruchsvollen Radkurs ein Rennen wie in Kitzebühel ein Desaster. Schafft er das Schwimmen und Radfahren in den Zeitfenstern oder kann aktiv in das Renngeschehen eingreifen, dann ist eine 31er Laufleistung, wie beim Ironman 5150 Zürich letzte Woche gezeigt, ein guter und wichtiger Schritt auf dem steinigen Weg nach London: I'm here to win - DNF ist no option!


Update vom 16.07.2011, 15:55: Chris McCormack konnte sich bei seinem 2. Rennen der ITU WCS Series in Hamburg nach solidem Schwimmen und viel Initiative und Arbeitsleistung auf dem Rad mit Platz 26 knapp vor Landsmann Dan Wilson im Mittelfeld einreihen. Der Rückstand auf den siegreichen Landsmann Brad Kahlefeldt betrug 2:05 Minuten. Ebenfalls vor McCormack kam Brendan Sexton ein und hat die Nase auf der Jagd nach dem letzten Ticket der Aussis  für London 2012 weiterhin ein Stückchen vorne. Die nächste WCS-Station findet in drei Wochen auf einem Großteil der Olympischen Triathlonstrecke statt. McCormack hat den Sprung auf diese Startliste im Gegensatz zu Kahlefeldt, Courtney Atkinson, Jamie Huggett, James Seear, Sexton und Wilson wegen fehlender Weltcup-Punkte nicht geschafft und muss sich weiter von Einsatz zu Einsatz entwickeln.

Freitag, 15. Juli 2011

Bulle oder Bär - kommt ein Initial Public Offering im Ironman Triathlon?

Der Triathlon ist nicht nur auf der Langstrecke in den letzten drei Jahren einer enormen Dynamik unterworfen. Sportlich purzeln die Weltbestzeiten, auf der Kurzstrecke wirbeln Alistair und Jonathan Brownlee als zwei junge Zauberlehrlinge die Elite durcheinander und wirtschaftlich profitiert die Industrie von einem nachhaltigen Boom, dem auch so manch verbandspolitisches Possenspiel kaum etwas anhaben konnte. Wie gesund sind die Events,  eine der wichtigen Säulen im Triathlon?

Ben Fertic (Anteilseigner und Präsident WTC, links; Mitch Thrower, rechts) hat eine steile Karriere bei Ironman hinter sich.  Sein Aufgabengebiet umfasste zunächst die Restrukturierung der Online-Strategien der WTC unter seinem Vorgänger Lew Friedland. 
Ein Blick auf die aktuelle Veranstaltungslandschaft wirft ein widersprüchliches, stark patchworkartiges Bild zurück. Während etwa in den USA die kommerziellen Anbieter verschiedener Größe dominieren, sind in Europa viele hochwertige mittlere und Kleinstveranstaltungen etabliert, die zum Teil mit jahrzehntelanger Tradition im Ehrenamt auf die Beine gestellt werden.

Mit dem Einstieg von Providence Equity Partners bei der World Endurance Holding, respektive der World Triathlon Corporation (Ironman), Lagardère mit der Tochter Upsolut (ITU World Cup Series), TEAMChallenge (Challenge Series), Star Production (TriStar  Formate),  IMG Worldwide (Abu Dhabi Triathlon, London Triathlon, etc.), Revolution3 Events (Rev3Tri), Life Time Fitness Athletic Events (Race to the Toyota Cup, Leadman), HITS Inc. mit Leonard Green & Partners Private Equity im Rücken (HITS Triathlon Series)  und last but not least mit Private Equity Backup von Falconhead Capital die Competitor Group International (TriRock) manifestiert sich auf Veranstalterseite eine zunehmende Diversifikation, die mit Spannung auf die kommenden 5-10 Jahre blicken lässt.

Nicht nur für mich stellt sich die Frage nach den Gewinnern und Verlierern. Zu den möglichen Verlierern könnten leider viele der angesprochenen Kleinstveranstaltungen zählen, die mit dem zur Verfügung stehenden Freizeitbudget gegen zum Teil hochprofessionelle Rennserien in vielfältiger Weise um Aufmerksamkeit, Sponsoren und Athleten konkurrieren müssen. Mit leider oftmals dem kürzeren Ende durch bürokratische Hürden bei behördlichen Genehmigungen oder kaum vorhandenen Marketingbudgets und personellen Engpässen.

Zu den Gewinnern zählen sicherlich die ITU mit dem Olympischen Programm, das auf einen enormen Lobbyverbund bauen kann, der so manche Tür zu öffnen und Preisgeldbörse zu füllen hilft. Auch die TEAMChallenge scheint sich zunehmend erfolgreich vom Schock des Verlusts des Ironman-Brandings erholt zu haben. Die Rother GmbH expandiert, ähnlich wie die in Monaco ansässige TriStar mit ihren innovativen Rennformaten behutsam und stetig. Der Hecht im Karpfenteich ist jedoch weiterhin die WTC mit den Cashcows Ironman 70.3 und Ironman. Youngster 5150 bläst derweil der Wind etwas kräftiger um die Nase.

In atemberaubendem Tempi werden von der WTC neue Kontinente und Regionen erobert. Metropolregionen wie New York oder das fest etablierte Rennen in Frankfurt mit seinem diesjährigen Jubiläum und anspruchsvolle Urlaubsdestinationen auf dem ganzen Globus sind die heißesten Kandidaten auf der Hatz um die besten Claims. Mit "First-come, first-served" lässt sich das Fazit dieser überhitzten Rallye ziehen.

Beim Kauf der WTC wurde insbesondere durch die Mitbewerber kolportiert, dass die beteiligte Private Equity Gesellschaft Providence maximal 5-7 Jahre ein Investment behalten würde. Nach abgeschlossenem Kauf im Jahr 2008 könnte man folglich über einen Verkauf in der Zeitspanne 2013 bis 2015 spekulieren. Eine weitere Möglichkeit bestünde im Initial Public Offering (IPO), dem klassischen Börsengang. Diese hypothetische Möglichkeit elektrisiert schon jetzt die eingefleischten Fans der Weltmarke Ironman. Wo kann man schließlich Eigentümer einer echten Lifestyle-Marke werden, die sich nicht wenige Triathleten als Tattoo unter die Haut stechen lassen?

Ein IPO ist eine Botschaft, die auch an der Wall Street bis zum Tag X ankommen wird. Kommunikativ perfekt vorbereitet wird ein möglicher Börsengang durch den 2012 erstmalig geplanten Ironman New York, dessen Tickets in nur 11 Minuten zu Preisen von 800 bis 1.000 USD vergriffen waren. Die derzeitigen Anteilseigner finden sicher nicht nur diesen Umstand extrem spannend.