Montag, 18. Juli 2011

Flashiger Speedrausch mit 71km/h

Teilnehmer des Ironman 70.3 Wiesbaden und anderer Rennen in den deutschen Mittelgebirgen, die bergab regelmäßig an der 100 Stundenkilometer-Schallmauer kratzen, mögen über 71km/h auf dem Fahrradtacho müde lächeln. In Bergheim, Landkreis Dillingen war die 7 vorne auf dem Blitzerfoto beim nachmittäglichen Training des 7. Juli um 15:59 Uhr eine Pressemitteilung wert. Bezüglich Haltung und Ausrüstung kann festgehalten werden: Ordentlich aber beides durchaus ausbaufähig, um die Formkurve weiter mit dem Speed korrelieren zu lassen.
Gerne kann sich der 71er-Fahrer beim Verfasser für einen kleinen Erlebnisbericht melden. Foto: Polizei Bayern
Statt 80 Euro und einem Pünktchen auf der Flensbuger Liste, wie in der Welt der Kraftfahrzeuge üblich, wird auf den dahinsausenden Triathleten* selbst bei Offenlegung der Indentität keine dieser Repressalien zukommen. Daher lautet das heutige Motto des Tages Bitte melde dich, damit die Ehre der richtigen Person zuteil wird!

* Das Outfit lässt den Schluss zu, nicht das Bike.

Banale Brutalität, Tour de France 2011

Es ist einer dieser denkwürdigen Momente in der Geschichte einer Sportart, in der jener ganz normale Wahnsinn kurz innehält, verschreckt aus der eingenommenen gebückten Position hochschaut und die Augen hektisch-schweifend in die Ferne irrlichtern lässt. Soeben hat erneut ein Begleitfahrzeug bei dieser denkwürdigen 9. Etappe den Radprofi Juan-Antonio Flecha förmlich von der Straße gekegelt und eine kleine Kettenreaktion ausgelöst, die Johnny Hoogerland  im hohen Bogen und äusserst blutig in einen Weidezaun katapultierte. Kurz zuvor beendete Alexander Winokurow seine Tour bei einem anderen Sturz. Warum gibt es bei der Tour de France 2011, bei den Protagonisten der täglichen Qual zwischen 11er und 25er Ritzel so viele kapitale Stürze?



Die Radsport-Experten sind sich uneinig, bringen diverse Faktoren ins Spiel. Ursächlich erscheint das Naheliegende keine Erwähnung zu finden. In Abwesenheit eines über Alles und Jeden bestimmenden Lance Armstrong mit seinem pure Dominanz ausstrahlenden Team und eines aktuell schwächelnden Alberto Contador ist die Tour offen wie seit Jahren nicht mehr. Die derzeitige Zurückhaltung der Schleck-Brüder, die sich und ihr Team offensichtlich für die Alpen schonen, verstärkt diesen Effekt noch. Die Fahrer sind in Abwesenheit eines Leithammels und straffen Hierarchie schlichtweg risikofreudiger und werden nicht zurückgepfiffen.

Die genutzten Fahrräder sind insgesamt schneller aber durch den hohen Anteil von Carbon in den Laufrädern unter Aspekten der Bremssicherheit um 20 Jahre in der Entwicklung zurückgesprungen. Der begleitende Pressetross und die Betreuer in ihren Autos changieren zwischen wilder Paparazzo-Ekstase und Rallye Monte Carlo und riskieren zunehmend Leib und Leben. Last but not least hat die ASO als Veranstalter der Tour malerische aber auch halsbrecherisch enge Sträßchen, die für den durch Dopingskandale gebeutelten Sport die passende Optik und Action bieten sollen, ausgewählt.



Noch sind die spektakulären Szenen relativ glimpflich ausgegangen. Durch einen Oberschenkelbruch wird  das für 2012 geplante Karriereende von Alexander Winokurow wohl um einige Monate vorgezogen. Eine unglückliche Mischung aus Nässe und Fliehkraft schob den Kasachen und andere Fahrer auf einer nicht ausreichend als gefährlich gekennzeichneten Kurve in der Abfahrt vom Col du Pas de Peyrol von der Strecke.

Wann  führt die UCI, der Weltradsportverband mit Sitz in Lausanne verpflichtende Normen für die Bremsleistung ein, statt sich Gedanken um Rahmenwinkel und Position von Sattelnase zu Tretlager zu machen? Der nächste letale Fehler aus dem System Tour wird aber sicherlich kommen. Fehler sind menschlich und die Sicherheitsnetze auffällig locker gewoben - in der Welt der Flaschenträger, Edeldomestiken und Helden.