Freitag, 22. Juli 2011

Cheatcodes, die lustigsten Betrugsversuche der Profis im Triathlon

Das letzte Posting über die Verantwortung der Veranstalter für Fairness im Sport zu sorgen hat zu diesem Artikel inspiriert. In den letzten 10 oder 15 Jahren sind sonderbare Geschehnisse großteils als Augenzeuge erlebt worden. Beim Ausflug in die Welt der kleineren und größeren Gaunereien wurde auf die Gesamtthematiken Doping und das Verlassen und Abkürzen der Wettkampfstrecken bewusst verzichtet. Auf eine Namensnennung innerhalb der Top 5 wird ebenfalls kein Wert gelegt, wenngleich manche der Geschichtchen natürlich unweigerlich deutliche personengebundene Assoziationen wecken.
Absolut kein Betrüger, sondern ein aufrechter Sportsmann und Finisher. Chris Sadowski wurde beim Ironman Hawaii 2004 bei Radkilometer 168 von einem offiziellen Motorrad "touchiert" und sein Hinterrad plastisch verformt. Es war wohl der bisher längste Marsch auf Socken, den Big Island bis dato gesehen hat. Photo: Kai Baumgartner
Unter Wasser ist der Race-Marshall blind
Ein männlicher Profitriathlet war der Meinung mit speziellen, weichen Handpaddles die Auftaktdisziplin über 3,86 Schwimmkilometer in Angriff nehmen zu können. Die Kampfrichter verdeutlichtem ihm die Sinnhaftigkeit des Regelwerks kurz nach dem Schwimmausstieg.

Der Michelin-Mann Effekt
Auf Big Island von Hawaii sind Prototypen von Schwimmanzügen hoch im Kurs. Die Innovationsfreude der Hersteller und Profis erlangte in einem Jahr traurige Berühmtheit, als vermehrt sogenannte Speedsuits mit doppelten Schichten und damit größerem Auftrieb und stärkerer Kompression auftauchten. Zuvor durchgeführte "normierte" Floating-Tests mit definierten Beschwerungsgewichten passierten die zuvor gezeigten Referenzanzüge problemlos.


Kein Betrugsversuch im eigentlichen Sinne. Beim ITU WCS Triathlon Madrid 2011 drängte der Brite Harry Wiltshire den Spanier Javier Gomez Noya mit Vorsatz von der Ideallinie ab. Wiltshire wurde von der ITU rückwirkend vom 28. Juni für 6 Monate gesperrt.

"Got a ride" Teil 1
Bei einem der härtesten Triathlons der Welt konnte ein Triathlet während einer sehr langen (!) Flachpassage etwa 50cm hinter einem wirklich großen Van mit offener Heckklappe gesichtet werden. Zwecks Alibi wurden von den beiden einheimischen Insassen ab und an unmotiviert mit einer Amateurkamera die typischen Handbewegungen eines Fotografen durchgeführt. Ungeklärt und noch immer Objekt heftiger Spekulation ist der Umstand, ob bei den langen Bergaufpassagen besagter Profi samt Bike im Inneren des Vans verschwand.

"Got a ride" Teil 2
Ebenfalls unter Innovationsdruck stand bei identischer Wettkampfdestination eine Landsfrau. Sie begnügte sich in einem anderen Jahr, genügsam wie sie war, mit einem Motorrad als Pacemaker.

Da war die Luft raus
Bei den World Military Triathlon Championships manipulierte ein Nationalkader-Triathlet das Wettkampflaufrad seines eigenen Mannschaftskollegen vor dem Start. In der Wechselzone ließ er in einem vermeintlich unbeobachteten Augenblick die Luft entweichen. Vom betroffenen Triathleten inflagranti erwischt, hatte der Deliquent sehr viel Glück nicht vor ein Kriegsgericht gestellt und damit unehrenhaft entlassen zu werden. Das Abschneiden bei einer Militär-WM ist maßgeblich mitentscheidend für die Zuordnung in entsprechende Sportfördergruppen als Berufssoldat. Der sportliche Fachverband deckte den Vorfall. In seiner späteren Karriere sollte der Athlet, wenn es mal nicht mehr so richtig rund lief, auf einsamen Streckenabschnitten primär bei seinen eigenen Laufrädern die Luft rauslassen. Streckenabkürzungen gehörten leider ebenso zu seinem Standardrepertoire.

Weltbestzeit, Weltrekord im Triathlon. Über die Anziehungskraft der Bestzeiten auf den Langstrecken.

Grundsätzlich gibt es im Triathlon als Freiluft-Sportart keine Weltrekorde. Begründet liegt dieser Verzicht in der Ermangelung standardisierter Strecken, wie man sie in Hallen und Stadien anderer Sportdisziplinen antrifft. Von Rekorden schreiben gelegentlich engagierte Sport-Outsider und Praktikanten. Der anglo-amerikanische Raum mag sich ebenfalls in seiner ihm eigenen Art in der Hyperinflation der Superlative suhlen. Richtiger ist es aber von Weltbestzeiten zu sprechen.

Die Weltbestzeiten fielen 2011 gleich reihenweise. Zunächst kam die 14 Jahre alte Bestmarke von Luc Van Lierde durch Marino Vanhoenacker in Klagenfurt unter die Räder. Keine Woche später konterte Andreas Raelert in Roth und lieferte auch die Vorlage für das weibliche Pendant Chrissie Wellingtons am gleichen Tag und Ort.  Photo: Bollwein/Triangle
Durch verschiedene Gründe bedingt, ist in den letzten Jahren ein messbarer Leistungssprung bei den Frauen und zeitverzögert auch bei den Männern zu verzeichnen, die im vergangenen Jahr und auch 2011 in erstaunlichen neuen Weltbestzeiten durch Chrissie Wellington, Marino Vanhoenacker und Andreas Raelert mündeten. Bei einer noch jungen Sportart wie Triathlon mit jährlich steigendem positiven Innovationsdruck in den Bereichen Ausrüstung, Trainingsmethodik, sowie Ernährung und Regeneration eine erklärbare Entwicklung.

Zeiten der Rekordhatz und medialer Ausschlachtung sollten eigentlich vorbei sein. Dramatisch-spannende Renninszenierungen sind auch durch die richtige Auswahl der Protagonisten möglich! Denkt man, weit gefehlt! Das Echo in den Special Interest Publikationen und den allgemeinen Medien hat gezeigt, dass Bestzeiten der Wellenkamm sind, auf dem sich eine Triathlonveranstaltung exzellent vermarkten kann.
Warum sind Superlative auch bei kaum zu vergleichenden Strecken eigentlich so anziehend? Selbst ein Triathlon an ein und demselben Ort stellt sich jährlich anderen Wetterbedingungen oder gar Streckenmodifikationen. Wozu also überhaupt Bestzeiten fleißig für die Sportstatistiken aufnehmen? Triathlonveranstaltungen, die sich vor allem dadurch auszeichnen, erstklassigen Service und Organisation bei interessantem Streckenprofil zu bieten, sollten eigentlich genug Geschichten zu erzählen haben.

Bevor alte Wunden wieder aufgerissen werden, bleibt festzuhalten, dass es um allgemeine Betrachtungen geht. Zum gesamten Thema wurde in der Vergangenheit deutlich, argumentativ sauber und transparent auf 3athlon.de Stellung bezogen. Das Thema ist in Teilen insofern obsolet, da diverse Triathlonevents wie etwa die Challenge Roth in der jüngeren Vergangenheit Streckenänderungen (im Sinne überfälliger Verlängerungen) vorgenommen haben.

Einem Veranstalter sollte für nachhaltigen Zulauf der Profis der faire Wettkampf, abseits von Betrügereien am Herzen liegen. Zur aktuellen Diskussion in den einschlägigen Foren im deutschsprachigen und us-amerikanischen Raum über die beiden Kurse von Klagenfurt und Roth gehört der Aspekt der Fairness. Zur Fairness gehören die erstklassige Behandlung der Sportler vor, während und nach dem Rennen. Dazu gehört insbesondere die Sicherstellung einer Gleichbehandlung bei Antritts- und Preisgeld, Transfers, Unterbringung, Pressearbeit und Kommunikation, Einhaltung des Regelwerks (Anti-Doping, Abkürzen, Windschattenfahren, Pacing, unerlaubte Ausrüstung) und last but not least die korrekten Streckenlängen auf allen Teilstrecken inklusive der Wechselzonen.

Im Zeitalter von GIS, Google Maps, GPS und Normierungsmöglichkeiten durch anerkannte und objektive Fachverbände oder externe Prüfer sollte zumindest letzte Frage leicht zu beantworten sein. Ein notariell beglaubigtes Vermessungsprotokoll muss eine Selbstverständlichkeit bei einer Ausschreibung eines internationalen Top-Rennens sein, das eine gültige Weltbestzeit für sich proklamieren und vermarkten will. Dies soll aber nicht das eigentliche Thema sein. Die Initiative muss hier von Veranstaltern, Verbänden, Sponsoren und den Athleten selbst kommen, weil es um die ureigendsten Interessen geht.

Vielen Triathleten ist es ziemlich egal, ob das Schwimmen mit oder ohne Strömung stattfindet, eine Radstrecke 178 oder 182 Kilometer lang ist oder ein Marathon schon nach 40 Kilometern und einigen Metern sein Ende findet. Natürlich wird es das eigene Ego freuen, eine neue persönliche Bestzeit (PB) verzeichnen und in der Lokalzeitung und am heimischen Beckenrand beim Wundenlecken kommunizieren zu können. Dazu sind Triathleten zu sehr Narzissten.

Puristen und Traditionalisten mögen das etwas anders sehen. Beim Start einer Challenge oder bei einem Ironman, muss neben einem tollen Erlebnis mit 1a-Service auch jeder einzelne Meter der nominell 226,255 Kilometer (3,86km Schwimmen, 180,2km Radfahren, 42,195km Laufen) erlebbar sein. Dafür hat man bezahlt, darauf möchte man stolz sein. Sind es weniger - kein Problem, dazu sind Ausschreibungen da.

Puristen freuen sich auch über den Umstand den Regeln entsprechend nicht in einer Gruppe gefahren zu sein und ohne Abkürzen, Pacing oder  Doping den Triathlon mit der eigenen physischen und mentalen Stärke gefinisht zu haben.

Zur bestmöglichen Unterstützung der Athleten beim ehrlichen und fairen Kräftemessen sollten sich alle Veranstalter verpflichtet fühlen. Treffen alle obigen Bedingungen zu, steht einer glaubwürdigen Bestzeitvermarktung kein Hindernis im Wege. Die nächsten 2-3 Jahre werden sportlich auch ganz ohne Bestzeiten sicherlich extrem spannend werden.