Mittwoch, 22. Mai 2013

Risiko oder Chance? Ironman 70.3 Berlin muss Streckenführung wegen fehlender Behördengenehmigungen ändern

Es gibt schönere Tage für die Veranstalter der ersten Auflage des Ironman 70.3 Berlin, die am 16. Juni 2013 stattfinden soll. Nach der Vorjahrespremiere über das kürzere 5i50-Format sollte der nächste logische Schritt folgen, Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit gilt als Unterstützer der Veranstaltung. Doch auch er muss sich natürlich der Gewaltenteilung beugen. Schleppende Verhandlungen mit den Behörden über eine genehmigungsfähige Radstrecke endeten schließlich mit der Verweigerung. Statt im idyllischen Grunewald wird das Startfeld des mit 1.300 Teilnehmern ausverkauften Triathlons auf den weitläufigen Startbahnen des ehemaligen Flughafen Berlin Tempelhof, der Tempelhofer Freiheit auf Rennrädern unterwegs sein.

Die Premiere des Ironman 70.3 Berlin geriet wegen fehlender Streckengenehmigungen ins Schleudern. Ein neues Konzept soll die Zuschauer stärker in den Triathlon einbinden. Screenshot: World Triathlon Corporation
Die Szene sieht es ambivalent. Zwischen Desinteresse, betonter Gelassenheit, Neugierde und wutschnaubender Entrüstung sind in den Sozialen Medien und einschlägigen Triathlon-Foren alle Spielarten der Meinungsäußerung verfügbar. Hauptargument der Kritiker sind ein potentiell eintöniger Kurs und die Gefahr eines nicht regelkonform durchführbaren Triathlons wegen unerlaubten Windschattenfahrens. Wellenstarts sollen die Gefahr des sogenannten Draftings abwenden. Befürworter betrachten das kompakte Rennformat als eine Chance Zuschauer und Angehörige besser in den Wettkampf integrieren zu können. Lange Wartezeiten auf radelnde Triathleten auf weitläufigen Radstrecken sind bei dem Berliner Konzept nachrangig.

Senatsbeschluss für striktere Genehmigungen

Die World Triathlon Corporation (WTC) mit ihrer Deutschlandtochter Xdream Sports & Events GmbH hat bei der Durchführung auf den lokalen Partner SC Charlottenburg gesetzt. Die SCC Events GmbH ist bekannt und etabliert durch den herausragend organisierten Berlin Marathon. Den Planungen ist jedoch ein relativ neuer Senatsbeschluss in die Quere gekommen, der erstmalig für ein neues SCC-Event Anwendung fand. Im Kern soll bei den Genehmigungsbehörden stärker darauf geachtet werden, dass Umfang und Ausmaß von Absperrungen und natürlich auch Straßensperrungen in einem "sinnvollen Verhältnis" zur Größe der Veranstaltung stehen müssen. Im engeren Sinne müssen genügend Teilnehmer und Zuschauerzahlen garantiert werden. Alleine die Formulierung des Beschlusses lässt im Wortlaut Spielraum für Interpretationen. 

Das Standing des Veranstalters ist naturgemäß bei einer Erstauflage schwer, selbst wenn formal der Event ausverkauft ist. "Selbst ein Regierender Bürgermeister kann, auch wenn er die Idee eines Ironman in Berlin großartig findet, nichts gegen seine Genehmigungsbehörden ausrichten" wird Thomas Steffens, Sprecher der SCC Events GmbH auf tri-mag.de zitiert.

Chance für den Triathlon in Berlin

Sven Alex, Präsident der Berliner Triathlon Union (BTU) bestätigt die Sichtweise und Argumentation der lokalen Ausrichter. "Wenn es schon nicht die Veranstalter des Berlin Marathons schaffen einen neuen Triathlon mit einem vergleichbaren Startfeld zu schaffen, wer dann?" Alex sieht die Ursachen primär im vollen und vielfältigen Veranstaltungskalender der Stadt Berlin. Der Triathlon muss mit zahlreichen anderen Events um Ressourcen und freie Termine kämpfen. Den Kürzeren gezogen habe in der jüngeren Vergangenheit etwa auch eine Veranstaltung aus dem "Formel 1 Umfeld". Die fehlende Genehmigung und Streckensperrung ist also kein Einzelfall und nur Ausdruck einer veränderten Genehmigungslandschaft der Hauptstadt. So ärgerlich und enttäuschend dieser Umstand für den ein oder anderen Starter sein mag.

Alex hebt dennoch die Attraktivität des Standorts Berlin hervor und sieht die Streckenänderung durchaus auch als Chance einmal neue Wege zu gehen und die Zuschauer näher an das Rennen zu holen.

Handlungsoptionen für Athleten

Die World Triathlon Corporation hat in einer E-Mail bereits die gemeldeten Triathleten informiert:
"Die aktuell geplante Radstrecke ist aus Sicht von Triathleten völliges Neuland, auch wenn wir der festen Überzeugung sind, dass die neue Variante durch ihre Kompaktheit für dich und auch für deine Zuschauer großes Charme-Potenzial besitzt. Sowohl die Rad- als auch die Laufstrecke sind so gestaltet, dass sie mehrfach an einem außergewöhnlichen Hot-Spot vorbeiführen. Fans und Familienangehörige haben so weltweit erstmals die Möglichkeit, die Faszination Triathlon aus nächster Nähe mitzuerleben. Die Zeit, die du als Athlet in deine Vorbereitung investiert hast, wird damit auch für die Menschen, die dir wichtig sind, greifbar. Wir laden dich hiermit ein, Teil dieser historischen Premiere zu werden."


Gleichzeitig bietet die WTC flexible Szenarien für gemeldete Triathleten an. Drei verschiedene Wahlmöglichkeiten stehen zur Verfügung, die aus logistischen Gründen am 28. Mai 2013 auslaufen:
  • Inanspruchnahme des Startrechts unter den geänderten Voraussetzungen.
  • Übertragung des Startrechts auf einen anderen europäischen Ironman 70.3 Triathlon, sofern dies bestehende Platzkontingente zulassen.*
  • Kostenlose Stornierung und Erstattung aller mit der Anmeldung über die WTC entstandenen Kosten.*


*
Transfer
Wir transferieren dich kostenlos zu einem anderen Rennen der IRONMAN 70.3-Serie in Europa. Dies sind der IRONMAN 70.3 Wiesbaden, der IRONMAN 70.3 Pescara (Italien), der IRONMAN 70.3 Haugesund (Norwegen), der IRONMAN 70.3 Luxembourg, der IRONMAN 70.3 Pays d’Aix (Frankreich), der IRONMAN 70.3 Lanzarote (Spanien), der IRONMAN 70.3 Rapperswil-Jona (Schweiz) bzw. der IRONMAN 70.3 Zell am See-Kaprun (Österreich/Achtung: Nur noch wenige Startplätze verfügbar.)

Rückerstattung
Wir erstatten dir deine Anmeldegebühr für den IRONMAN 70.3 Berlin inklusive der Active-Servicegebühr zu 100 Prozent. Das größte Anliegen unseres Lizenznehmers SC Charlottenburg und unser größter Wunsch ist die Zufriedenheit unserer Athleten. Du hast uns dein Vertrauen gegeben und das wissen wir sehr zu schätzen. Gerne würden wir mit Dir zusammen die Premiere des IRONMAN 70.3 in Berlin feiern. Wir bitten um dein Verständnis, dass unser Angebot zum Transfer bzw. der Rückerstattung mit 28. Mai 2013 endet.

  1. http://ironmanberlin.com/
  2. http://www.ironman.com/triathlon/events/ironman-70.3/berlin.aspx
  3. http://ironmanberlin.com/de/anmeldung/transfer-abmeldung/
  4. http://tri-mag.de/aktuell/langstrecke/ironman-703-berlin-rangeln-um-den-radkurs-36627

Aktuelles Urteil: Verkehrssicherungspflichten bei einem Triathlon weichen von denen eines Radrennens ab

Das Landgericht Heilbronn hat in einem Urteil vom 20. Februar 2012 die unterschiedlichen Ansprüche an die Radstrecke eines Triathlons mit Windschattenverbot auf einer teilweise gesperrten Radstrecke und eines Radrennens mit Windschattenfreigabe herausgestellt. Das Urteil erfolgte auf eine Klage eines Triathleten, der über eine von drei kurz hintereinander folgenden, vom Veranstalter visuell mit Warnfarben markierten Bodenwellen gestürzt war und der Veranstalterin mangelhafte Sicherung der Strecke vorgeworfen hatte. Unstreitig blieb die Vorgabe des Gerichts, dass bei den in einem Triathlon erreichten Geschwindigkeiten eine manuelle Absicherung mit visuell und/oder akustisch vor dem Verkehrshindernis warnenden Streckenposten erforderlich ist. Die korrekte personelle Absicherung war ein Streitpunkt in dem Verfahren.
Ein Sturz auf dem Rad bei einem Triathlon mit Windschattenverbot wurde vom Landgericht Heilbronn anders bewertet, als ein Sturz bei einem Radkriterium mit Vollsperrung der Radstrecke oder eines Triathlons mit Windschattenfreigabe und vergleichbarer Sperrung der Radstrecke. Photo: ITU Media - Janos M. Schmidt
Das Gericht stellte zudem fest, dass der Teilnehmer wegen des Sturzes "gegen den Veranstalter weder Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280 Abs. 1, 276, 31 analog BGB noch gemäß § 823 Abs. 1 BGB geltend machen (könne), da der Veranstalter die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt hat."

Punkt G.1 c) der aktuellen Wettkampfordnung der Deutschen Triathlon Union e.V. (DTU) verpflichtet die teilnehmenden Triathleten beim Radfahren die Straßenverkehrsordnung (STVO) einzuhalten. Es darf grundsätzlich angezweifelt werden, ob im Einzelfall sämtliche Vorschriften der STVO einzuhalten sind. Allerdings ist die Verpflichtung der Wettkampfteilnehmer nicht von der Hand zu weisen, auf Warn- und Verkehrsschilder zu achten. Vor den drei Bodenschwellen befand sich in ausreichender Entfernung das Hinweisschild „Unebene Fahrbahn“.
  1. Landgericht Heilbronn, Urteil vom 20. Februar 2013, AZ 5 O 295/12 Mc
  2. http://www.rechtslupe.de/zivilrecht/verkehrssicherungspflichten-bei-einem-triathlon-radrennen-361056